Literatur: Entkriminalisierung und Regulierung – Evidenzbasierte Modelle für einen alternativen Umgang mit Drogenhandel und -konsum
Aus der Einleitung: 40 Jahre Betäubungsmittelgesetz in Deutschland, 50 Jahre detaillierte Suchtstoffkontrollübereinkommen und über 100 Jahre Versuche globaler Drogenkontrolle bilden den Rahmen für diese Untersuchung alternativer Politikoptionen für eine Reform der Drogenkontrollgesetzgebung.
Immer häufiger wird nach den Zielen gefragt, den beabsichtigten und nicht beabsichtigten gesundheits-, sozial- und rechtspolitischen Folgen sowie den ökonomischen Auswirkungen, ethischen Fragestellungen und letztlich dem Sinn der Prohibition. Angesichts des eskalierenden Drogenkrieges in Mexiko (Heufelder 2011; Siegert 2011), anderen Staaten Lateinamerikas sowie weiten Teilen Südamerikas (Weber 2011; Lessmann 2012; Villar/Cottle 2012) und Asiens (Lingens 2011), den drogeninduzierten geopolitischen Verschiebungen, den weltweit immer noch exekutierten Todesstrafen für Drogenbesitz/-handel (Gallahue 2011) und der immer stärkeren Aufrüstung im »Krieg gegen die Drogen« wird die Frage nach der Sinnhaftigkeit der gewaltsamen Auseinandersetzungen immer häufiger gestellt. Weltweit fordern viele Initiativen, Verbände, Parteien und namhafte Personen (Nobelpreisträger und aktuelle oder ehemalige Staatspräsidenten) andere als strafrechtliche Drogenkontrollmodelle und verweisen auf die vielen Schäden der gegenwärtig repressiv dominierten Drogenpolitik (Declaraćion Conjunta Sobre Crimen Organizado y Narcotráfico 2011; Global Commission on Drug Policy 2011); einerseits für die einzelnen Konsumenten sowie hinsichtlich der Erosion der Glaubwürdigkeit aller präventiven Bemühungen angesichts der doppelbödigen Teilprohibition, andererseits in Bezug auf die Bedrohung gesellschaftlicher Werte, vor allem der Einschränkung von Freiheiten, die in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu den intendierten Zielen des Drogenverbots stehen. Wir sollten beginnen, Drogenprobleme gesundheits- und nicht strafrechtspolitisch zu behandeln. Die Frage ist also, ob wir uns diese Drogenpolitik weiter leisten können – und zwar in jeder Hinsicht? Und falls nicht: Wie stehen die Chancen für einen drogenpolitischen Wandel auf nationaler und internationaler Ebene, in welche Richtung sollte er vollzogen und wie könnte er eingeleitet und umgesetzt werden?
Die Diskussion um eine Reform der internationalen und nationalen Drogenkontrolle ist also in vollem Gange.
Die heutige Drogenpolitik steckt im Gedankengefängnis der Prohibition als allgemein akzeptierter Form des Umgangs mit Drogen fest. Gründe für ein grundsätzliches Nachdenken über unsere Drogenpolitik gibt es genug.
Die Verheerungen des War on Drugs haben weltweit ein wachsendes Bewusstsein für die Probleme unserer Drogenpolitik, vor allem für die Auswirkungen der Prohibition auf die Gesundheit und das soziale Wohlbefinden der KonsumentInnen geschaffen.
Es gibt bereits praktizierte alternative Politikansätze in direkter europäischer Nachbarschaft. Die Niederlande, Portugal, Tschechien, Belgien und Spanien haben im Rahmen der globalen Suchtstoffkontrollübereinkommen Gesetzgebungsreformen umgesetzt. In zwei Staaten der USA ist Cannabis seit Dezember 2012 legal. Es gibt also Erfahrungen damit, wie ein anderer Umgang und eine evidenz-basierte und humane Drogenpolitik gelingen kann.
Friedrich-Ebert Stiftung: Entkriminalisierung und Regulierung – Evidenzbasierte Modelle für einen alternativen Umgang mit Drogenhandel und -konsum, Heino Stöver und Maximilian Plenert, Juni 2013, ISBN: 978-3-86498-591-1